Verfahren zur lautheitsbasierten Hörgeräteanpassung mit instantanem Insitu-Perzentil-Monitoring (LPFit)

Durch die Verwendung des International Speech Test Signals (ISTS) können dabei die Hörsysteme in der Einstellung belassen werden, wie sie später auch im Alltag getragen werden.

 

Da eine komplette Wiederherstellung der Lautheit bzw. der Hörbarkeit von den meisten Hörgeräteträgern nicht akzeptiert wird und mit vielen Hörsystemen bei adäquater akustischer Ankopplung häufig auch gar nicht erreicht werden kann, bedarf es einer an die Bedürfnisse der Nutzer angepassten Einstellung, die zudem dem Gewöhnungseffekt Rechnung trägt (Akklimatisierungsstufen). Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen einer Labor- und Feldstudie am Universitätsklinikum Gießen ein Verfahren zur Anpassung von Hörgeräten mit instantanem In-situ-Pegelmonitoring auf der Grundlage der Perzentilanalyse entwickelt und erprobt, das die individuelle Lautheitswahrnehmung berücksichtigt und eine personalisierte Akklimatisierung ermöglicht. Von der Lautheitsskalierung werden dafür die kategorialen Einheiten (KU) 15, 20 und 25 in das Tonaudiogramm als „Most Comfortable Level“ (MCL) übernommen. Die Anpassungen lassen sich dabei durch andere KUs (z. B. KU 10 für extrem hörentwöhnte Personen) beliebig erweitern. Die Lage des LTASS in Bezug zum MCL wird dabei auf Grundlage des Normalhörenden auf die Situation des Schwerhörigen übertragen, wie es in der ACAM 5 implementiert ist. Daraus ergeben sich unterschiedliche lautheitsbasierte Anpassungen (LPFit = Loudness-based Percentile Fitting), die die individuelle Lautheitswahrnehmung der Schwerhörigen berücksichtigen.

 

In Labor- und Feldtests wurden die entwickelten Anpassungen (LPFit-15 usw.) mit einer Referenz (NAL-NL2) und den eigenen Hörsystemen von 21 Probanden verglichen und erprobt. In der Studie konnte gezeigt werden, dass eine individuelle lautheitsbasierte Anpassung unter flankierender Verwendung einer instantanen Perzentilanalyse einer Präskription, welche allein auf tonaudiometrischen Daten basiert, vielfach überlegen ist. Dies zeigen sowohl die Ergebnisse der Sprachaudiometrie als auch die subjektive Bewertung im Labor, bei einem strukturierten Rundgang sowie im Feldtest.

 

Beim Freiburger Einsilbertest in Ruhe erzielen LPFit-15 und NAL-NL2 im Median die gleiche Sprachverständlichkeit von 80 %. Auffallend hierbei ist, dass die Spannweite bei NAL-NL2 (65 %) deutlich größer ist, als dies bei LPFit-15 (40 %) der Fall ist. Dies zeigt, dass eine Anpassung allein auf Basis tonaudiometrischer Daten im Einzelfall dazu führen kann, dass eine deutlich schlechtere Sprachverständlichkeit erreicht wird als mit einer individuell lautheitsbasierten Anpassung. Eine weitere Verbesserung der Sprachverständlichkeit kann mit den Anpassungen LPFit-20 und LPFit-25 erreicht werden, die höhere Verstärkungen liefern und deshalb eine bessere Sprachverständlichkeit in Ruhe erzielen.

 

Tabelle: Häufigkeiten, mit denen LPFit-25, LPFit-20 und LPFit-15 für den Feldtest gewählt wurden, und Programmpräferenzen im Feldtest

 

Studienphase

Anpassregel

LPFit-25

LPFit-20

LPFit-15

LPFit-10

NAL-NL2

Labor- und Campustest (n=21): globale Präferenz

0

5

15

1

in der Phase nicht involviert

 

LPFit-Gewinner aus Labor-/Campustest

NAL-NL2

 

119 (68,4 %)

55 (31,6 %)

 

Im Feldtest wurden von den Probanden insgesamt 174 Situationen frei beschrieben, in denen die Hörprogramme einer Bewertung unterzogen wurden (s. Tabelle). Somit haben die Probanden im Mittel jeweils ca. acht Fragebögen im Feldtest in einem Zeitraum von ca. 10-14 Tagen ausgefüllt. Die Probanden konnten im Feldtest die bevorzugte LPFit-Variante direkt mit NAL-NL2 vergleichen, wobei ihnen nicht bekannt war, welche Anpassung in welchem Programm (1 oder 2) gespeichert wurde. Die Anordnung der Programme wurde zudem randomisiert. Von den 174 Situationen wurde die vom Probanden jeweils gewählte lautheitsbasierte Anpassung (LPFit-25, LPFit-20 oder LPFit-15) 119-mal (68,4 %) und die NAL-NL2-Referenz 55-mal (31,6 %) in der beschriebenen Situation bevorzugt. Somit zeigt sich im Feldtest eine eindeutige Präferenz für die individuelle lautheitsbasierte Anpassung.

 

Durch das hier vorgestellte Verfahren wird eine individuelle Hörsystemanpassung erzielt, die eine gute Sprachverständlichkeit bei hoher Spontanakzeptanz aufweist. Der Mehraufwand, der durch die Lautheitsskalierung entsteht, ist dabei sehr gering. Insofern ist es denkbar und zu wünschen, dass der hier präsentierte lautheitsbasierte, individuelle Lösungsansatz, der eine Serie von Akklimatisierungsstufen liefert, Anwendung in der täglichen Anpasspraxis des Hörgeräteakustikers findet, um auf diesem Wege eine praktische Validierung und weitere Verbesserungen zu erfahren.

Dr. Steffen Kreikemeier

Vertretungsprofessor für Audiotechnik und Audiologie

Medizinphysiker für Audiologie (DGMP)

 

Hochschule Aalen—Aalen University

Studiengang Augenoptik und Hörakustik

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Entwickelt für die technische Kontrolle von Hörgeräten, ermöglicht die Perzentilanalyse in aktuellen Messsystemen eine instantane Beobachtung des Verstärkungsverhaltens von modernen Hörsystemen. Somit eröffnen sich neue Wege, das Perzentil-Monitoring nicht nur zur Kontrolle verschiedener Parameter wie Frequenzgang und Kompression zu nutzen, sondern auch für die Realisierung einer individualisierten, lautheitsbasierten (Fein-)Anpassung unter Berücksichtigung der Sprachdynamik.

 

Dr. Steffen Kreikemeier

Dipl. Ing. (FH)

Augenoptik und Hörakustik